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Zeitkapsel der Wilhelm-Stedler-Schule geborgen: Wie war das beim Neubau 1952?

Matthias Wuttig (von links), Henning Schünhof und Katharina Valenty zeigen die deformierte Zeitkapsel sowie die Papierdokumente vom August 1952.

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Barsinghausen. "Etwas, was die Nachwelt interessiert": Unter dieser Überschrift stehen die handgeschriebenen Schülerbriefe, die am 9. August 1952 in einer Zeitkapsel in die Grundsteine der damals neuen Wilhelm-Stedler-Schule eingemauert wurden. Beim Abriss des 73 Jahre alten Schulgebäudes, um Platz für eine neue und moderne Grundschule im Stadtzentrum zu schaffen, wurde die Zeitkapsel vor wenigen Wochen aus dem Mauerwerk des mittlerweile abgetragenen Westflügels geborgen. Aus dem Innern des verlöteten Kupferrohres traten nicht nur die zum Teil mehrseitigen Schülerbriefe, sondern viele weitere zeitgenössische Dokumente zutage - und geben somit Einblicke in das Barsinghausen von 1952.

Für Barsinghausen und für die Menschen in der damaligen Bergwerksgemeinde war der Schulbau ein großes Ereignis. Barsinghausens heutiger Bürgermeister Henning Schünhof spricht von einem "Meilenstein". Immerhin mehr als 950.000 Mark seien zu Beginn der 1950-er Jahre für das Schulgebäude mit zwölf Klassenräumen, Bücherei und Milchbar veranschlagt worden.

Bei der Grundsteinlegung am 9. August 1952 wurde die Zeitkapsel eingemauert. Darin befanden sich 73 Jahre lang die Schülerbriefe sowie eine Tageszeitung, Abschriften der Ratsbeschlüsse für den Schulbau und der Verträge mit der Klosterkammer sowie eine Urkunde des damaligen Gemeindedirektors Wilhelm Heß. Barsinghausen hatte demnach damals 10.212 Einwohner, darunter jeweils 2500 Vertriebene und Ausgebombte. "1062 Kinder besuchen die Schule, darunter 287 Flüchtlingskinder", hielt Heß in seiner Urkunde für die Zeitkapsel an die Adresse der Nachwelt fest.

Stadtarchivarin Katharina Valenty und Matthias Wuttig, Leiter des Gebäudewirtschaftsamtes, haben gemeinsam mit Bürgermeister Henning Schünhof in den vergangenen Wochen die Zeitkapsel geöffnet und den Inhalt gesichtet. Laut Valenty handelt es sich um wichtige Dokumente der Zeitgeschichte: „Viele Jugendliche berichten in ihren Briefen von den Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges, die auch sieben Jahre nach Friedensschluss noch deutlich zu spüren sind. So beschreiben viele Mädchen und Jungen aus Vertriebenen-Familien die Hoffnungen der Elterngeneration, in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren zu können.“ Aus dem Blickwinkel der Mentalitätsgeschichte seien die Briefe sehr wertvoll.

Für Bürgermeister Schünhof stellen die Schülerbriefe und -aufsätze eine "gelebte und gefühlte Historie" dar. "Wir tauchen ein in die Lebensumstände und in die Gefühlswelt der Menschen vor 73 Jahren. Wie ein Blitzlicht auf den Tag im Sommer 1952. Und wir bekommen eine Ahnung davon, wie das Leben damals war", betont Schünhof, der auf Parallelen von 1952 und 2025 hinweist: Damals seien der Ziegenteich und das Gemeindebüro verschönert sowie das Sporthotel Fuchsbachtal gebaut worden. Ziegenteich und Sporthotel stehen nun ebenso wie die Wilhelm-Stedler-Schule erneut gemeinsam auf der Agenda.

Schon zu Beginn der Abrissarbeiten auf dem Schulgelände habe die Stadtverwaltung ihr Interesse daran deutlich gemacht, "diese Zeitkapsel zu bergen. Und der Baggerfahrer hat dann auch sehr vorsichtig und behutsam gearbeitet", berichtet der Bürgermeister. Allerding sei die Kapsel im zuvor vermuteten Bereich nicht auffindbar gewesen. "Wir haben dann zwischendurch sogar mithilfe von Metalldetektoren gesucht", erklärt Amtsleiter Matthias Wuttig. Schließlich sei die arg deformierte Kapsel in den Grundmauern des ehemaligen Westflügels entdeckt und anschließend mit einigem Kraftaufwand geöffnet worden.

"Die Papierdokumente waren nach so vielen Jahren zu einem harten Knäuel zusammengepresst. Wir haben den Inhalt vorsichtig herausgenommen. Nach einiger Zeit lösten sich die Papiere voneinander", erläutert Stadtarchivarin Katharina Valenty, die alle Dokumente archiviert. Zudem hat die Stadtverwaltung alle Dokumente aus der Zeitkapsel digitalisiert und auf besonders beständigem Papier drucken lassen, um daraus ein Fotobuch zu erstellen. Exemplare dieses Fotobuches werden zur Ansicht in der Stadtbücherei Marktstraße ausgelegt.

Auch die neue Wilhelm-Stedler-Schule soll bei der Grundsteinlegung am 27. Juni eine Zeitkapsel erhalten. Laut Matthias Wuttig jedoch nicht versteckt im Mauerwerk, sondern prominent und dauerhaft sichtbar hinter Plexiglas in der Mauer des künftigen Ratssaales. Gefüllt wird die Kapsel unter anderem mit dem Fotobuch der Dokumente von 1952, mit den Abschriften der neuen Ratsbeschlüsse und Verträge für den Schulneubau sowie mit einer Tageszeitung.

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