Hannover. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat am Montag die Klimarisikoanalyse für Niedersachsen veröffentlicht. Die Studie zeigt auf, wie die Klimakrise bereits jetzt aber auch künftig – in der Mitte und am Ende des 21. Jahrhunderts – nachteilige Folgen hat.
Das gilt für Ökosysteme und Arten genauso wie für die Infrastruktur, Dienstleistungen sowie wirtschaftliche und soziale Werte. „Die Klimarisikoanalyse zeigt uns: Die Klimakrise ist längst in Niedersachsen angekommen und betrifft jeden Bereich unseres Lebens“, so Niedersachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Christian Meyer. „Die Klimakrise wirkt sich nicht statisch aus und wird uns in Zukunft noch heftiger treffen. Darum müssen wir uns durch zielgerichtete Maßnahmen anpassen, um die Menschen in Niedersachsen, unsere Umwelt und die Infrastruktur zu schützen. Anpassung ist aber nicht alles und kann auch nicht alle negativen Folgen der Klimakrise abwenden. Wir müssen weiterhin konsequent das Klima schützen, um die möglichen Auswirkungen abzumildern.“ Das Land Niedersachsen wird daher den Kommunen ab 2026 aus dem Investitionsprogramm des Umweltministeriums weitere 90 Millionen Euro für Klimaschutz und Klimaanpassung bereitstellen.
Die Klimarisikoanalyse betrachtet 42 Risiken aus den sieben Handlungsfeldern Boden, Landwirtschaft, Fischerei, Wald- und Forstwirtschaft, Küsten- und Meeresschutz, Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft sowie Gesundheit und macht dringende Handlungserfordernisse in der Klimaanpassung deutlich. Die zugrundeliegenden Daten wurden von niedersächsischen Behörden aus dem Klima-, Boden-, Wasser-, Forst- und Gesundheitsbereich erhoben und ausgewertet. Das Niedersächsischen Kompetenzzentrum Klimawandel (NIKO) hat dabei die Leitung und Koordination der Arbeitsgruppe übernommen. Die Erkenntnisse der Klimarisikoanalyse fließen nun in die Klimaanpassungsstrategie des Landes ein, die 2026 fortgeschrieben wird und die Strategien und Maßnahmen enthält, um die negativen Folgen des Klimawandels für Niedersachsen zu mindern.
Die Analyse zeigt: Die Regionen Niedersachsens sind unterschiedlich stark von den Folgen der rasanten Erderwärmung betroffen, auch zwischen den unterschiedlichen Handlungsfeldern wurden Unterschiede festgestellt. Unter der Annahme, dass dringend notwendig Maßnahmen zum globalen Klimaschutz nicht konsequent umgesetzt werden, sind folgende Trends erkennbar:
Boden
Die niedersächsischen Böden werden durch den Klimawandel beeinflusst, sodass sie zum Teil ihre Funktionen nicht mehr im vollen Umfang erfüllen können. Zudem steigt die Gefahr durch Degradationsprozesse von Böden an. Die im Handlungsfeld Boden betrachteten Klimarisiken sind vor allem durch die Klimawirkungen der Temperaturzunahme, der saisonalen Verschiebung der Niederschläge und veränderter Häufigkeit und Dauer von extremen Wetterlagen wie Trocken- und Hitzeperioden, aber auch Nässephasen begründet. Durch die klimawandelbedingten Veränderungen im Niederschlag und erhöhter Verdunstung infolge steigender Temperaturen steht den Böden und damit den auf ihnen wachsenden Pflanzen im Frühjahr und Sommer weniger Wasser zur Verfügung. Im Winter verstärken die erhöhten Niederschläge wiederum das Risiko, dass die Retentionsleistung der Böden nicht mehr ausreicht und sich dadurch hochwasser- und starkregenbedingte Überflutungen verschärfen. Auch das Klimarisiko für Bodenabtrag durch Wasser steigt aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit von intensiven Niederschlägen an.
Landwirtschaft
Vor allem der Anstieg der Temperatur kann im Bereich der Tierhaltung zu einem Gesundheitsrisiko werden, wenn die Tiere unter Hitzestress leiden. Abiotische Stressfaktoren wie Hitze, Kälte oder intensiven Niederschläge können darüber hinaus ein erhebliches Klimarisiko im Pflanzenbau darstellen, indem sie direkt die Pflanze schädigen, aber auch indirekt durch Staunässe oder Dürre zu Ertragsverlusten führen können. Ein Temperaturanstieg führt zudem zu einer verlängerten Vegetationsperiode. Das kann zunächst positiv auf das Pflanzenwachstum wirken, dieser Effekt kann allerdings durch Extremwetterereignisse wieder reduziert werden. Das Risiko, dass sich Anbauregionen für verschiedene Pflanzenbaukulturen verschieben, ist für die Gegenwart gering und wird auch für die Zukunft als gering bis mittel bewertet.
Fischerei
Die Temperatur in der Nordsee wirkt sich auf das gesamte Ökosystem und damit auch auf wechselwarme Organismen wie Fische aus. Ein klimawandelbedingter Temperaturanstieg kann das Nahrungsnetz in der Nordsee verändern – mit negativen und als hohes Klimarisiko eingeschätzten Folgen für die kommerzielle Fischbestandsänderung in der südlichen Nordsee. Die Erwärmung kann weiterhin die bestehenden Interaktionen zwischen etablierten Arten entkoppeln. Zudem können kälteliebende Arten von wärmeliebenden, nicht heimischen Arten verdrängt werden, was das Nahrungsnetz zusätzlich verändern kann. Extreme Hitze und Trockenheit und damit verbundenes zeitweises Trockenfallen von Gewässerabschnitten führt darüber hinaus zum Verlust von Lebensräumen und Laichhabitaten.
Wald- und Forstwirtschaft
Ein zunehmendes Trockenstressrisiko im Wald wurde als wichtigstes Klimarisiko identifiziert. Dieses wird maßgeblich durch die Temperaturzunahme und die Verlängerung der Vegetationsperiode, die stärkere Wasserverluste durch Verdunstung bedingen, sowie ein verändertes Niederschlagsregime begründet. Durch ein mangelndes Wasserangebot werden die Wälder zudem anfälliger für andere Risikofaktoren wie Massenvermehrungen von Schaderregern. Mehrjährige Dürreereignisse mit einer unzureichenden Auffüllung der Bodenwasserspeicher während der Vegetationsruhe, die in Zukunft häufiger erwartet werden, stellen ein besonderes Klimarisiko für die Wälder Niedersachsens dar.
Küsten- und Meeresschutz
Mit Anstieg der Temperaturen durch den Klimawandel dehnen sich die Ozeane bei steigenden Temperaturen aus – mit direkten Auswirkungen auf die Strömungen und den Seegang in den niedersächsischen Küstengewässern, was die Belastung auf die Küstenschutzbauwerke in Niedersachsen erhöhen könnte. Das Wattenmeer konnte die Effekte des Meeresspiegelanstiegs auf die Hydrodynamik bisher kompensieren – wie lange es jedoch noch mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen kann, ist unklar. Der steigende Meeresspiegel verschiebt darüber hinaus die Süß-/Salzwassergrenze landeinwärts, was die Süßwasserressourcen auf den Inseln und den Küstenregionen am Festland trifft. Mit Anstieg des Meeresspiegels wird auch das Ausgangsniveau der Sturmfluten ansteigen. Ob sich eine zusätzliche Intensivierung durch erhöhte Windgeschwindigkeit einstellt, ist noch ungewiss.
Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft
Die Folgen des Temperaturanstiegs – wie stärkere Verdunstung und Trockenheit – sowie ausbleibende Niederschläge im Sommer führen dazu, dass Klimarisiken, die durch zu wenig Wasser entstehen, verstärkt werden. Das betrifft sowohl Niedrigwasser in Flüssen, Grundwasserdürren und niedrige Grundwasserstände als auch den Mangel an Bewässerungswasser in der Landwirtschaft. Durch die zunehmende Intensität einzelner Niederschlagsereignisse, aber auch durch die Verschiebung von Niederschlägen insgesamt aus dem Sommer in den Winter, verschärfen sich darüber hinaus die Risiken in Bezug auf Hochwasser und Starkregen, die Grundwasserqualität sowie die Vernässung durch Grundwasser und hohe Grundwasserstände.
Gesundheit
Der Temperaturanstieg in Niedersachsen hat maßgeblichen Einfluss auf die Klimarisiken im Bereich Gesundheit – die Zahl der temperaturbedingten Krankheitsfälle, also beispielsweise Belastung durch Hitze, aber auch durch vektorübertragene Krankheiten, könnte steigen. Extremwettereignisse wie Starkregen könnten darüber hinaus Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser zunehmend belasten, wenn diese nicht resilient gestaltet sind.
Hintergrund
Die Klimarisikoanalyse für Niedersachsen wurde vom NIKO in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der Forschungsstelle Küste des NLWKN (NLWKN-FSK), dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA), der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK), der Kommunalen Umwelt-AktioN e. V. (UAN) und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) sowie vielen weiteren Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis erstellt.
Mit der vorliegenden Klimarisikoanalyse wurde eine methodische Grundlage entwickelt, die künftig um weitere Klimarisiken ergänzt werden kann – beispielsweise sind die Bereiche Biodiversität und Ökosysteme, Infrastruktur (mit Bauwesen, Energiewirtschaft und
Verkehr) sowie Wirtschaft (mit Industrie und Tourismus) bisher nicht betrachtet. Die Klimarisikoanalyse soll deshalb als „lebendes Dokument“ verstanden werden, das entsprechend der einmal etablierten Methodik auch für weitere Handlungsfelder weiterentwickelt werden kann.
Die Klimarisikoanalyse für Niedersachsen wurde koordiniert vom Niedersächsischen Kompetenzzentrum Klimawandel (NIKO). Das NIKO ist 2021 als Service- und Beratungsstelle zu den Themen Klimawandel und Klimafolgenanpassung gegründet worden. Seitdem informiert und berät das NIKO zu den Ursachen des Klimawandels, den Folgen des Klimawandels und zu Klimaanpassung in Niedersachsen.

