Hannover. Ob bunt beschichtete Tabletten oder süß schmeckende Säfte: Für Kleinkinder sind Medikamente besonders verlockend, aber auch gefährlich. Schon eine einzige versehentlich geschluckte Tablette für Erwachsene kann für Kinder lebensbedrohlich sein. Ihr Stoffwechsel arbeitet anders und ihr geringeres Körpergewicht verstärkt die Wirkung des Medikaments, was den kindlichen Organismus schädigen kann. Auch Dosierungsfehler oder falsche Lagerung bergen Risiken.
So sind viele flüssige Arzneimittel nach dem Öffnen nur begrenzt haltbar. Die Apothekerkammer Niedersachsen informiert Eltern, wie sie Medikamente korrekt verabreichen und sicher zu Hause aufbewahren. Zudem erfahren sie, was bei einer drohenden Vergiftung zu tun ist. Im Notfall zählt jede Minute, daher bleibt keine Zeit zum Recherchieren.
Kleine Dosis, große Gefahr
Einige Arzneimittel entfalten bereits in geringen Dosen eine starke Wirkung und sind daher besonders gefährlich für Kinder. So können Herz-Kreislauf-Medikamente wie Betablocker, zum Beispiel Metoprolol, gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen oder den Kreislauf beeinflussen. Zentral dämpfende Schmerzmittel bergen ein Risiko für eine Verlangsamung oder Verflachung der Atmung, Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle. Blutzuckersenkende Medikamente können zu lebensbedrohlicher Unterzuckerung führen. Antidepressiva und Mittel gegen Wahnvorstellungen können bei Kindern Krampfanfälle, Verwirrtheit sowie Bewusstseinsstörungen auslösen.
Dosierungsfehler vermeiden
Eine versehentliche Über- oder Unterdosierung von Medikamenten kann bei Kindern gefährlich sein oder die Wirkung zunichtemachen. Die Dosis ist entscheidend: Häufig entstehen Fehler durch ungenaue Angaben oder Schätzungen. Typische Ursachen sind falsche Löffelgrößen, etwa Ess- statt Teelöffel, eine fehlende Anpassung der Dosis an das Gewicht des Kindes oder Verwechslungen zwischen Tropfenanzahl und Angaben in Millilitern bei flüssigen Medikamenten. Auch das erneute Verdünnen eines fertigen Saftes oder das Nichtaufschütteln trüber Säfte führt zu falschen Dosierungen. Zeitangaben wie „dreimal täglich“ werden oft missverstanden; korrekt wäre „alle acht Stunden“. Dosierspritzen mit Milliliter-Skala helfen bei der genauen Abmessung von Säften. Eltern sollten die verabreichten Medikamente und Mengen sorgfältig notieren und Fragen zur Handhabung oder Dosierung mit der Apotheke oder Kinderarztpraxis klären. So sichern sie die Therapie.
Richtiges Verhalten im Notfall
Hat ein Kind versehentlich ein falsches Medikament oder eine zu große Dosis eingenommen, ist schnelles Handeln gefragt. Eltern sollten Ruhe bewahren und keinesfalls Erbrechen herbeiführen. Stattdessen sollte sofort die Notrufnummer 112 oder die zuständige Giftnotrufzentrale kontaktiert werden. Dabei ist es hilfreich, Informationen wie den Namen des Medikaments, die vermutete eingenommene Menge und den Zeitpunkt der Einnahme bereitzuhalten. Unterstützung bietet die kostenlose App „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ des Bundesinstituts für Risikobewertung. Am besten haben Eltern alle wichtigen Nummern an einer zentralen Stelle hinterlegt. Hierzu gehören die Notrufnummer 112, der ärztliche Bereitschaftsdienst mit der Nummer 116 117 sowie die lokale Kinderarztpraxis und die Notaufnahme. Speziell für Vergiftungsfälle ist in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein das Giftinformationszentrum-Nord unter 0551 192 40 erreichbar.
Sichere Aufbewahrung und richtige Entsorgung
Medikamente sollten stets in abschließbaren Schränken sowie möglichst außer Sicht- und Reichweite von Kindern aufbewahrt werden. Auch pflanzliche Präparate und Vitamintabletten sind keineswegs „harmlos“ und müssen stets kindersicher verwahrt werden. Arzneimittel, die in den Kühlschrank gehören, sollten dort in einer schwer zu öffnenden Dose gelagert werden. Bereitgestellte Medikamente sollten direkt verabreicht werden. Generell sind Arzneimittel ausschließlich bis zum aufgedruckten Datum auf der Originalverpackung haltbar – und auch nur dann, wenn sie ungeöffnet sind. Viele flüssige Arzneien, etwa Antibiotikasäfte, sind nach Anbruch lediglich sieben bis vierzehn Tage haltbar. Veränderungen der Farbe, des Geruchs oder der Konsistenz sind ein klares Zeichen dafür, dass ein Medikament nicht mehr angewendet werden darf und entsorgt werden muss. Dasselbe gilt für abgelaufene Arzneimittel. Sie können beim Schadstoffmobil, bei der kommunalen Deponie oder einem Recyclinghof abgegeben werden. Auch Apotheken bieten oft eine freiwillige Rücknahme an.
Einnahme kindgerecht erklären
Um Kindern die Einnahme von Medikamenten zu erleichtern, sollten Eltern auf eine kindgerechte und ehrliche Erklärung setzen, etwa: „Das hilft deinem Körper, wieder gesund zu werden.“ Rituale wie eine Sanduhr zur Erinnerung und das Vorlesen einer Geschichte oder kleine Belohnungen können helfen. Bei Einnahme- und Applikationsschwierigkeiten können Betroffene in der Apotheke nach Hilfestellung fragen.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören über 8.200 Mitglieder an. Die Apothekerin und der Apotheker sind fachlich unabhängige Heilberufler:innen. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apotheker:innen die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwerben die Studierenden Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinischer Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhalten die Apotheker:innen eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung können sie eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist:innen für Gesundheit und Prävention beraten die Apotheker:innen die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen kompetent und unabhängig über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte. Apotheker:innen begleiten Patient:innen fachlich, unterstützen menschlich und helfen so, die Therapie im Alltag umzusetzen.