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Teuerste Toilette Deutschlands oder Sahnestück? – Politik streitet um Nutzung des Fachwerkhauses am Thie

Quelle: Remke + Partner, Architektur. Innenarchitektur. mbB.

Barsinghausen. Das Fachwerkhaus in der Marktstraße 18, erbaut im Jahr 1827, soll nach Willen der Stadtverwaltung und nach einem Konzept des Architekturbüros Remke saniert werden. Das Fachwerkgebäude ist im ursprünglichen Sinn ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude vom Typ des Hallen- oder auch Fachhallenhauses. Es steht seit Jahren leer, ist in einem schlechten Zustand und hat 1991 seinen Denkmalschutzstatus aufgrund des Zustandes bereits verloren. Nun kocht die Diskussion zur Nutzung des Gebäudes wieder hoch..

Die Stadtverwaltung plant eine Sanierung ohne den Ausbau des Dachgeschosses, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Auf eine neue Dacheindeckung soll daher verzichtet werden. Im Erd- und Zwischengeschoss sollen multifunktionale Räume entstehen – vorgesehen sind das Tourismusbüro als Ankermieter sowie Flächen für Vereine, Beratungsstellen und kleinere lokale Ausstellungen. Zudem ist der Einbau einer barrierefreien öffentlichen Toilette (Kosten aktuell geschätzt auf 96.000 Euro) vorgesehen, deren Folgekosten allerdings noch zu prüfen sind. Das Gebäudewirtschaftsamt geht aktuell von notwenigen laufenden Instandsetzungsmaßnahmen von 30.000 Euro pro Jahr durch Vandalismus für eine solche Einrichtung aus. Des Weiteren würden ca. 11.500 Euro jährlich für die zweimalige tägliche Reinigung der Toilette anfallen.

Ziel ist die Wiederbelebung des Gebäudes als Ort der Begegnung und des städtischen Lebens. Die Kostenschätzung liegt derzeit bei rund 1,69 Millionen Euro, wobei Fördermittel in Abhängigkeit von der Nutzung eingeplant sind. Im Oktober 2022 stimmte der Rat mit einer knappen Mehrheit von SPD und Grünen für den Kauf des Fachwerkhauses. Der reine Kaufbetrag lag bei etwa 250.000 Euro. 

AFB-WG fordert Nachbesserungen

Die Wählergemeinschaft Aktiv Für Barsinghausen (AFB-WG) hat sich intensiv mit dem geplanten Nutzungskonzept für das Fachwerkhaus auseinandergesetzt. Der Vorschlag, das Tourismusbüro in das Gebäude zu verlegen, stößt bei der Partei überwiegend auf Ablehnung. „Bürger kritisierten uns gegenüber, dass für die geschätzten rund zwei Millionen Euro für Ankauf und Sanierung keine ausreichende Belebung der Innenstadt zu erwarten sei“, so Kerstin Beckmann, AFB-WG, „Ursprünglich sei das Ziel gewesen, einen offenen Treffpunkt mit Café oder Gastronomie zu schaffen, der Leben in die Innenstadt bringt.“

Die Fraktionsmitglieder Thomas Struß und Kerstin Beckmann fordern daher deutliche Nachbesserungen des Konzeptes. Sollte dafür keine Mehrheit gefunden werden, können sie sich weiterhin auch einen Abriss des Gebäudes und die Gestaltung einer grünen Aufenthaltsfläche mit Sitz- und Spielmöglichkeiten im Rahmen der geplanten „Grünen Achse“ vorstellen.

Teuerste Toilette Deutschlands? CDU kritisiert Pläne für das Fachwerkhaus

Die Christdemokraten sehen die aktuellen Pläne der Verwaltung und der SPD zur Nutzung des Fachwerkhauses besonders kritisch. Fraktionsvorsitzender Gerald Schroth bezeichnet die aktuelle Planung als „Stückwerkpolitik“ und verweist auf die hohen Kosten. „Wenn man den Kaufpreis, die bisherigen Konzeptkosten, Sicherungsmaßnahmen und die aktuelle Kostenschätzung zusammenrechnet, sprechen wir von deutlich über zwei Millionen Euro – für ein Gebäude, das ursprünglich gar nicht gekauft werden sollte“, so der Fraktionsvorsitzende. Selbst mit Förderung bleibe es, so die CDU, „wohl die teuerste Toilette Deutschlands“.

Die CDU fordert stattdessen, das Fachwerkhaus zu einem lebendigen Treffpunkt zu entwickeln. „Das Fachwerkhaus könnte zu einem lebendigen ‚Social Place‘ oder einer modernen ‚City Wirtshaus‘ werden – mit Atmosphäre, Stil und regionalem Bezug. So entsteht Aufenthaltsqualität statt reiner Funktionalität“, so Nils Weber, 2. Vorsitzender.

FDP fordert Gesamtkonzept statt teurer Einzelmaßnahmen

Die FDP Barsinghausen spricht sich im Zuge der anstehenden Entscheidung über das Fachwerkhaus Marktstraße 18 für ein Innehalten und eine grundsätzliche Neuausrichtung der Innenstadtentwicklung aus.

Fraktionsvorsitzende Kerstin Wölki kritisiert, dass in Barsinghausen häufig Einzelflächen geplant würden, ohne dass ein übergeordnetes Konzept existiere. Das Projekt um das Fachwerkhaus stehe beispielhaft für dieses Vorgehen. Nach aktuellem Stand summierten sich Ankauf, Planung und Sanierung bereits auf rund 2,5 Millionen Euro – ohne ein tragfähiges Nutzungskonzept. Ein Tourismusbüro, Beratungsräume und eine öffentliche Toilette seien zwar grundsätzlich sinnvoll, würden jedoch keine Aufenthaltsqualität und keine Belebung der Innenstadt schaffen.

Wölki betont, Barsinghausen brauche keine „politischen Vorzeigeprojekte“ oder „die teuerste Toilette Deutschlands“, sondern ein tragfähiges Gesamtkonzept, das auf Begegnung, Gastronomie, Kultur und private Initiativen setzt – und langfristig finanzierbar bleibt.

Für die SPD ist das Fachwerkhaus ein Sahnestück

„Wir finden den Vorschlag von Remke und der Stadtverwaltung attraktiv – hier könnte für Barsinghausen wirklich etwas bewegt werden“, erklärt Peter Messing, SPD-Fraktionsvorsitzender. „Es sind bis zu 800.000 Euro an Fördergeldern möglich, was die Kosten natürlich erheblich senken würde.“

Das Tourismusbüro wünsche sich einen zentraleren Standort in der Innenstadt; durch einen Umzug könnten Mietausgaben von bis zu 30.000 Euro jährlich eingespart werden. „Auch die Möglichkeit für Vereine oder das Freiwilligenzentrum, sich an einem zentralen Platz zu treffen, hat Vorteile“, ergänzt Susanne Lorch, Vorsitzende der SPD Barsinghausen.

Eine Gastronomie anzusiedeln, hält die SPD hingegen für unrealistisch. Die Kosten für den Ausbau seien sehr hoch, die Stadtverwaltung müsste entsprechende Pachten vom Betreiber verlangen, und Fördergelder wären dann nicht mehr möglich. Dies mache eine gastronomische Nutzung wirtschaftlich nicht tragfähig.

„Viele Bürger wünschen sich auch eine kostenlose öffentliche Toilette in der Innenstadt – das könnte mit dem Konzept umgesetzt werden“, erklärt Lorch weiter. „Die CDU will das Haus einfach kaputt machen“, findet Messing. „Gastronomie ist keine ehrliche Idee für den Standort.“

Die SPD möchte stattdessen einen Blickfang schaffen, der die Innenstadt aufwertet und Begegnung ermöglicht. „Der erste Schritt kann nun gemacht werden, auch wenn es bis zur Umsetzung noch dauern wird“, so die SPD abschließend.

Die Entscheidung über die tatsächliche Nutzung fällt der Rat am 13. November, nach der Vorbehandlung im Sonderausschuss am 28. Oktober.