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Doppelmord in Holtensen – Angeklagter hat keine psychopatischen Neigungen

Ayas A. mit seiner Verteidigung vor dem Landgericht Hannover.

Wennigsen/Hannover. Der gestrige Prozesstag zum Doppelmord in Holtensen (Wennigsen), am 16. März, beschäftigte sich mit dem psychiatrischen Gutachten zum Angeklagten Ayas A. Die Staatsanwaltschaft Hannover ist sich sicher, dass A. das Ehepaar U. aus Holtensen aus Geldsorgen ermordete. Es gibt keine Zeugen, oder Spuren von A. am Tatort. Es ist ein reiner Indizienprozess. Das Gutachten sollte nun den Charakter von A. beleuchten. .

"Mächtige Feinde"

„Einen Menschen zu töten, ist nicht so wie im Fernsehen“, erklärte der Gutachter vor der großen Strafkammer im Landgericht, „Es gibt einen regelrechten Todeskampf. Für den Täter, sofern er keine sadistischen, oder psychopatischen Züge aufweist, ist das eine belastende Erfahrung.“ A. hatte stets seine Unschuld beteuert, auch erklärt, dass er auf U. und seinen Meistertitel angewiesen war, um die von ihm abgekaufte Kfz-Werkstatt weiterzuführen. Er wurde kurz nach dem Mord an U. in seiner Werkstatt überfallen. Die Staatsanwaltschaft hält dies für eine Ablenkung. Dem Gutachter gegenüber sagte A., dass er sich in der JVA sicherer als draußen fühle, da er dort mächtige Feinde habe, die an die Werkstatt wollten.

A. habe selbstsicher im Gespräch mit dem Sachverständigen gewirkt. Der Iraker habe in seiner Heimat viel erlebt und will auch Zeuge von Gewalt geworden sein. „Menschen die Gewalt erlebt haben, neigen statistisch gesehen eher dazu, selbst auch Gewalt anzuwenden“, so der Gutachter. A. habe die deutsche Sprache gelernt und versucht etwas aus sich zu machen. Baute sich eine Existenz auf, auch um Familie zu unterstützen. A. beschrieb sich selbst als zufrieden, ruhig und zurückhaltend, nicht aggressiv, habe jedoch Angst vor Krankheiten. „Der Test zu seinem Charakter war unauffällig und liegt in der Norm. Die Tat war sehr brutal. So ein Täter würde bei dem Test wohl anders abschneiden. Sei traumatisiert.“ Jedoch könne man auch nicht vom „primär“ Charakter auf die Tat schließen. „Die Befragung fand unter dem Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung statt. Man muss nicht krank sein, um eine solche Tat zu begehen. Im Grunde kann jeder normale Bürger zum Täter werden, wenn die Umstände entsprechend sind.“

A. ist kein Psychopath

A. habe keine Vorstrafen, keine kriminelle Karriere, keine narzisstische Veranlagung, oder Drogenprobleme. Der Gutachter habe auch keine Hinweise auf eine ausweglose Situation ergründetet. Jedoch habe A. finanzielle Probleme. Diese könnten zu einer emotionalen Belastung führen. Der Gutachter erklärte dem Gericht das Phänomen der „Übertötung“, wenn ein Täter aufgrund der Situation des Tötens in eine Erregungssituation komme. Die Opfer Sabine U. und Karsten U. wiesen diverse Stichverletzungen auf. „Diese Täter kommen dann wenige Minuten später wieder zu sich und rufen sogar Hilfe. Bei Ehepartnern ist dies oft zu beobachten, wenn diese ihre Partner getötet hätten. Man müsse auch unterscheiden zwischen der Situation, dass ein Täter bewusst zu seinem Opfer fahre und dann in die Erregungssituation komme, da das Töten nicht so verlaufe, wie geplant. Eine andere Situation sei es psychologisch bei einer impulsiven Tat, bei der der Täter während der Tat in Panik gerate und beim Todeskampf „überreagiere“.

Die Tat sei jedoch eher persönlichkeitsfremd für A., erklärte der Gutachter abschließend.

Telefondaten und das Rätsel um die Terrassentür

Die Verteidigung von A. ging noch einmal auf die Auswertung der Telefondaten ein. Das Handy von Karsten U. ist seit der Tat verschwunden und ist seit dem nicht wieder im Funknetz aufgetaucht. Das Werkstatt-Handy von A. und auch das private Handy, seien nicht direkt am Tatort lokalisiert worden. Zwar tauchten die Handys in der Funkzelle auf, jedoch hatten Zeugen U. später noch gesehen. Laut Verteidigung würden der Tatzeitraum und die lokalisierten Handydaten A. entlasten, da er nicht am Tatort gewesen sei. Der Tatzeitraum wird auf Sonnabend, zwischen 8.20 Uhr und 11.10 Uhr geschätzt. Spätere Telefonate von A. hätten außerhalb der Funkzelle gelegen, Fahrtwege zwischen diesen Standorten und dem Tatort seien unrealistisch. Außerdem habe es keine Spuren in A.s Wagen, oder an Kleidung gegeben. A. hätte sich innerhalb des Zeitfensters also umziehen müssen, Geld im Hause suchen müssen (Tatvorwurf Habgier). Für die Verteidigung passt das nicht zusammen.

Eine Zeugin habe ausgesagt, dass sie Sabine U. am Samstag spontan besuchen wollte, die Terrassentür sei zu diesem Zeitpunkt zu gewesen. Sie habe explizit gesagt, dass sie gegen die Tür gedrückt habe, sie war zu. Am Montag sind die Einsatzkräfte über diese Tür ins Haus gelangt – sie war auf „Kipp“.

Bislang fehlen konkrete Beweise und Hinweise dazu, dass Ayas A. der Mörder des Ehepaares U. ist. Richter Grote hat sich mehr Zeit herausgenommen, um alle vorgelegten Informationen mit den beiden Schöffen zu begutachten. Ein Urteil wird am 27. April erwartet.