Anzeige
Anzeige
Anzeige

Prozess "Kirchdorfer Rehr": "Ich hörte laute Motoren, dann ein Gewieher von Bremsen und Blech - dann Stille"

Anzeige

Barsinghausen / Egestorf. Am Landgericht Hannover hat heute der zweite Prozesstag wegen eines Unfalls in Barsinghausen begonnen, durch den zwei Kinder (2 und 6 Jahre) starben. Die Staatsanwaltschaft hat beide Unfallverursacher wegen Mordes und Beihilfe zum Mord angeklagt, da sie ein unerlaubtes Straßenrennen mit bis zu 180 km/h durchgeführt haben sollen. Heute waren auch erstmals beide Eltern der Kinder als Nebenkläger im Gerichtssaal.

Anzeige
Anzeige

Als erster Zeuge wurde ein 51-jähriger Mercedes-Fahrer gehört, der als erster mit dem Audi A6 (über 200 PS) der Angeklagten E. P. zusammenstieß. Die Erinnerungen des Stallmeisters waren allerdings getrübt. Er selber sei mit weniger als 70 km/h vom Kirchdorfer zum Egestorfer Kreisel gefahren, "weil die Strecke nicht einsehbar" ist. In den Folgen des Unfalls erlitt er einen Rippenbruch und bekam Glassplitter ins Auge. Er war einen Tag im Krankenhaus und sechs Wochen lang nicht arbeitsfähig. 

Eine Polizistin des Verkehrsunfalldienses Hannover kam als zweite Zeugin zu Wort. Seit zwölf Jahren sei sie in dieser Tätigkeit, sie habe aber "noch nie gesehen, dass Fahrzeuge dermaßen zerstört" wurden. Weiter berichtete sie, dass der der Beihilfe Angeklagte M. S. (Cupra Formentor, 310 PS) bei der Befragung am Unfallort immer wieder betonte, es sei kein Rennen gewesen. Weiter habe er mehrfach die Frage gestellt, wer die Schäden an seinem Fahrzeug trage anstatt nach den Folgen für die anderen Beteiligten zu fragen. Seine eigene Geschwindigkeit habe er mit 120 km/h angegeben, gebremst habe er, als die Angeklagte E. P. vor ihm einscheren wollte. Die Ortslage wurde vor Gericht anhand von Bildern untersucht. Die Beamtin bewertete die Kurve als einsehbar und widersprach damit zahlreichen ortskundigen Personen. 

Aufschlussreicher für den Unfallverlauf waren zwei Spaziergängerinnen, die getrennt voneinander zum Unfallzeitpunkt am Kirchdorfer Rehr unterwegs waren und sich beide proaktiv bei der Polizei als Zeugen gemeldet hatten.

Die erste Zeugin war mit ihrem Mann unterwegs, sie sah beide Fahrzeuge aus dem Kreisverkehr fahren und wie der A6 der E. P. sofort den Überholvorgang einleitete. "Ich habe zu meinem Mann gesagt: was machen die denn da? Was ist denn mit dem Gegenverkehr? Denn die Strecke ist dort recht unübersichtlich", erläuterte die weiter dem Gericht. Die Fahrzeuge hätten ihre Position nahe des Egestorfer Kreisels in Richtung Kirchdorfer Kreisel passiert, daher habe sie sich umgedreht, um die Situation weiter zu beobachten. Sie machte deutlich, dass das parallele Fahren ungewöhnlich lange fortbestanden habe: "Das ist ja keine Strecke, wo man so fahren kann", ergänzte sie. "Puh, das ist gerade nochmal gut gegangen", sagte sie nach eigenen Angaben zu ihrem Mann, als der A6 einzuscheren begann. Auf den Ausspruch folgten zwei dumpfe Aufprallgeräusche. Sofort begab sie sich zur Unfallstelle und half dem Mercedes-Fahrer. Aktivierte Bremslichter habe sie bei keinem der Fahrzeuge wahrgenommen, erklärte sie auf Nachfrage. Sie habe schon öfter Überholvorgänge auf der Strecke gesehen. Diese seien aber immer schnell abgeschlossen worden, weil der Bereich eben so uneinsehbar und gefährlich sei, betonte die Zeugin. Hier seien die Fahrzeuge sehr lange nebeneinander hergefahren.

Die zweite Augenzeugin war mit ihrem Hund zwischen den beiden Kreiseln unterwegs. Bevor sie etwas sehen konnte, hörte sie die ungewöhnlichen Motorengeräusche. "Ich bin hier oft unterwegs und kenne die Kulisse und ihre Geräusche. Aber diese beiden Motorengeräusche waren sofort ungewöhnlich auffällig". Dann sah sie die beiden Fahrzeuge mit einer "unfassbaren Geschwindigkeit" auf der Straße nebeneinander herfahren. Sie beschrieb den A6 der E. P. als das überholende Fahrzeug auf "unübersichtlicher Strecke". Sie dachte: "Was machen die da eigentlich? Die müssen doch langsamer fahren", dann erblickte sie bereits den herannahenden Gegenverkehr. Unter Tränen fuhr sie fort: "Dann sah ich auch schon ein helles Auto durch die Luft fliegen." Sie habe sich auf die Geräusche fixiert, Bremsleuchten der Unfallverursacher seien ihr nicht aufgefallen. "Da waren diese unheimlich lauten Motoren. Dann nur noch ein Gewieher von Bremsgeräuschen und Blech. Und dann Stille".

Am Nachmittag werden zwei weitere Zeugen und zwei Gutachter gehört. Am Freitag beginnt dann der dritte Prozesstag.