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Schnellgericht: Heute geklaut, morgen vor dem Richter

Der Eingang zum Amtsgericht Hannover

Region / Hannover.

Am 3. Dezember war Mateusz M. auf Diebestour im hannoverschen Hauptbahnhof unterwegs. In einer ParfĂŒmerie klaute der 21-JĂ€hrige DĂŒfte im Wert von mehr als 2 000 Euro. Und weil das so gut und unbemerkt klappte, kehrte er eine Stunde spĂ€ter zurĂŒck und langte erneut in die Auslage. Diesmal machte er Beute in Höhe von mehr als 400 Euro. Doch beim zweiten Mal wurde der Mann auf frischer Tat ertappt und festgenommen. Bereits einem Tag spĂ€ter stand er vor dem Richter im Amtsgericht Hannover. Mateusz M. erhielt eine Freiheitstrafe von einem Jahr auf BewĂ€hrung.

FĂ€lle wie diese bearbeitet Richterin Gudrun Gundelach. Sie eine von drei Richtern, die am Amtsgericht Hannover fĂŒr die Schnellverfahren zustĂ€ndig sind. Im vergangenen Jahr wurde in 507 FĂ€llen im  Schnellverfahren das Urteil gesprochen. Es handelt sich dabei um Verfahren, bei denen eine „klare Sachlage und eine einfache BeweisfĂŒhrung“ gegeben und bei denen eine Strafe von maximal einem Jahr zu erwarten ist. „Das betrifft die KleinkriminalitĂ€t. Zum Beispiel tĂ€gliche DiebstĂ€hle, Schwarzfahren mit der Bundesbahn, Zechprellerei, Drogendealer“, sagt Gundelach.

FĂŒr das Schnellverfahren gebe es eine hohe Akzeptanz. Die GeschĂ€digten fĂŒhlten sich gehört und kĂ€men zu ihrem Recht, Richter und StaatsanwĂ€lte könnten sich auf die großen Verfahren konzentrieren und den Angeklagten werde sehr schnell die Konsequenz ihres Handels verdeutlicht. Das Klientel, mit dem es die Schnellrichter zu tun hĂ€tten, sei besonders. „In der Regel sind es sehr einfach strukturierte Menschen. Wir mĂŒssen klare und verstĂ€ndliche Worte wĂ€hlen“, sagt Gundelach. Oftmals hĂ€tten die Menschen keinerlei Zukunftsperspektiven. „Diese Leute wollen nicht wissen, was in drei Monaten ist. Die wollen wissen, was morgen ist“, erklĂ€rt Gundelach. Der AuslĂ€nderanteil unter den Schnellverurteilten sei sehr hoch. OsteuropĂ€er, gescheiterte Existenzen, Obdachlose, desolate LebensumstĂ€nde, Alkohol- und Drogenprobleme. „Die haben sich 60 Cent fĂŒr zwei Dosen Bier erbettelt und im Discounter den Rucksack mit geklauten Lebensmitteln vollgestopft“.  Aber auch diesen Menschen mĂŒsse man die Konsequenzen ihres Tuns klarmachen. „Wir können sie nicht einfach gehen lassen“, sagt Gundelach. Sie habe es hĂ€ufig mit WiederholungstĂ€tern zu tun. Mit einigen von ihnen werde sie wohl alt, sagt Gundelach.

Damit die Schnellverfahren auch tatsĂ€chlich schnell ĂŒber die BĂŒhne gehen, arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter eng zusammen. Schon die Polizei trifft eine Vorauswahl, welche FĂ€lle fĂŒr das Schnellgericht geeignet sein könnten. Diese Akten, so Gundelach, liegen etwa ab 9 Uhr morgens bei der Staatsanwaltschaft. Sobald dort die FĂ€lle geprĂŒft wurden, werden die 20 bis 30 Seiten starken Akten dem Schnellrichter ĂŒberstellt. Das ist meist gegen 12 Uhr der Fall. Dann beginnt die Arbeit von Richterin Gundelach. „Wenn es gut lĂ€uft, haben wir eine Vorbereitungszeit von zehn Minuten pro Fall“, sagt Gundelach. Wer sich mit den Formularen gut auskenne und Routine habe, könne die FĂ€lle trotz der kurzen Zeit gut erfassen. FĂŒr BerufsanfĂ€nger sei die Arbeit nicht geeignet, betont Gundelach. Die AuslĂ€nderbehörde sei mit im Boot und sehe tĂ€glich die Haftlisten durch, um bei Bedarf reagieren zu können.

EingefĂŒhrt wurde das Schnellverfahren am Amtsgericht Hannover zur Expo im Jahr 2000. Damals war die Zahl der Verfahren Ă€hnlich hoch wie im Jahr 2017. Nur 211 Verfahren registrierten die Richter in 2007. Seit 2013 steigt die Zahl der Schnellverfahren stetig an.

Über mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit kann sich Richterin Gundelach in den Verfahren nicht beklagen. Zahlreiche Gruppen, Polizisten und Richter in Ausbildung wĂŒrden die Sitzungen besuchen. „Lebendiger kann ein Verfahren nicht sein. Niemand muss Hold im Fernsehen gucken“, sagt Richterin Gundelach.